von Reginald Gerlach
•
01 Juli, 2017
Die 3 Phasen der Fahrausbildung Ja, ein Führerschein ist teuer. Und immer wieder kommt es vor, dass Menschen zu uns in die Fahrschule kommen und nicht verstehen warum das so ist - immerhin haben sie vor 30 Jahren nur einen Bruchteil dessen bezahlt, von dem was heute so üblich ist. Nun möchte ich keine Abhandlung darüber schreiben, warum die Preise einer Fahrschule so sind wie sie sind, da dies ein betriebswirtschaftlicher Aspekt dieses Berufes ist. Vielmehr möchte ich einen Einblick in meine Berufsphilosophie geben und möglichst verständlich darlegen, was wir eigentlich in den Fahrstunden machen. Denn leider kursiert immer noch das Gespenst davon, dass die Fahrschulen den Schülern nur das Geld aus der Tasche ziehen wollen. Es ist nicht unüblich, dass Eltern mit ihren Kindern vor oder während der Führerscheinausbildung auf einen Verkehrsübungsplatz fahren und dort erste Fahrübungen machen. Ich möchte dies auch nicht verteufeln, es ist allerdings verwegen zu denken, dass man dann Auto fahren kann. Die Ausbildung zu einem übersichtlichen & kompetenten Autofahrer hängt leider noch von anderen Faktoren ab, als der Kupplungshandhabung und der Fähigkeit rückwärts einzuparken. Ingesamt kann man die Führerscheinausbildung in drei grobe Phasen einteilen. Es gibt zwar curriculare Leitfäden, die detailliert jeden einzelnen Ausbildungsinhalt minuziös darlegen, doch ist dies nicht das Thema dieses Artikels. Wollen wir es mal einfach halten und leicht verständlich. Etwas übersichtlicher, auch für Fahrschüler und Eltern nachvollziehbar: 1. Phase Als erstes wird dem Fahrschüler immer die Bedienung des Fahrzeugs selbst beigebracht! Dabei ist es egal um welche Art Fahrzeug es sich handelt. Exemplarisch möchte ich mal beim Auto bleiben. Es gibt die direkte Handhabung des Fahrzeugs; wie man optimal sitzen sollte, wie man sich das Auto und die Spiegel einstellt, so dass man auch genügend sieht. Die Bedienung der Gänge und der Pedalerie gehören genauso dazu. Kann der Fahrschüler "blind" schalten, ohne runter gucken zu müssen? Natürlich sollten gängige Bedienelemente bekannt sein, wie Blinker, Scheibenwischer, Licht und ähnliches. Aber genauso gehören die restlichen Schalter und Knöpfe des Autos mit dazu: wie mache ich es mir kälter, wenn es zu warm im Auto wird oder wie bekomme ich die Scheiben hinten, an den Seiten oder vorne wieder frei, wenn sie anfangen zu beschlagen? Ich weiß, diesen ersten Schritt kann man maßlos übertreiben! Und es ist auch nicht das Hauptaugenmerk, dass ein Fahrschüler nach der ersten Fahrstunde weiß, welche Drive-Select-Stufe für ihn jetzt am besten ist. Aber ein Fahrschüler muss sich im Klaren darüber sein, dass eine vollständige Fahrzeugbedienung von ihm verlangt wird. Nicht nur vom Prüfer (von dem auch!), auch vom Straßengeschehen! Zur Fahrzeugbedienung gehört auch die Handhabung der Pedalen, wie Gas, Bremse und Kupplung sowie der Lenkung. Ein Fahrschüler wird sich immer überfordert fühlen, wenn er diese Elemente im Fahrzeug nicht aus dem Effeff beherrscht! Und damit meine ich nicht nur, dass der Fahrschüler anfahren kann ohne das Auto abzuwürgen. Natürlich muss er das können - auch wenn er der erste an der Ampel ist und 20 Autos hinter ihm hupen und drängeln. Ich meine aber auch das Schalt-Kupplungs-Gasspiel. Kann er geschmeidig hoch und runter schalten ohne dass den anderen Insassen gleich schlecht wird? Kann er bremsen ohne ein Meter hinter oder 2 Meter vor der roten Ampel stehen zu bleiben? Ohne dass der Beifahrer ein Schleudertrauma erleidet? Kann ein Fahrschüler während der Fahrt vom 4. in den 2. Gang runterschalten ohne gleich stehen zu bleiben? Kann er mittig den Fahrstreifen halten ohne Gefahr zu laufen gegen den Bordstein oder in den Gegenverkehr zu fahren? Kann er Fahrbahnschlenker und Verschwenkungen geschmeidig mittig halten? Und kann er bei engen Kurven vernünftig Übergreifen ohne einen Knoten in die Arme zu bekommen? Für den Laien und Jugendlichen hört sich das alles vielleicht danach an, dass man dafür doch Ewigkeiten braucht, bis das alles reibungslos sitzt - und für die erfahrenen Eltern und Großeltern hört sich das meistens danach an, dass man sowas doch gar nicht üben muss! Das kann man doch einfach. Die Wahrheit liegt bekanntermaßen in der Mitte. Natürlich gibt es Fahrschüler, die bestimmte Elemente dieser ersten Phase "im Blut" haben, andere brauchen Stunde um Stunde dafür dies zu erlernen. Ich möchte nichts schwarz malen; ich möchte darauf hinweisen, dass wir als Fahrlehrer darauf achten, dass die beschriebenen Aspekte gekonnt oder erlernt sein müssen bevor es in die 2. Phase geht, da der Fahrschüler in seiner Fahrausbildung sonst Verluste erleidet und anfängt frustriert zu werden. 2. Phase In der zweiten Phase fängt man an, einem Fahrschüler "den Straßenverkehr" beizubringen. Das Fahrzeug kann er jetzt bedienen, jetzt geht es darum bestimmte Fahrmanöver hinzubekommen: abbiegen, nach rechts, nach links, Fahrstreifenwechsel, verschiedene Vorfahrtsituationen, Fußgängerüberwege, Verkehrsberuhigte Bereiche, Umkehren, Parken, Gefahrenbremsung und so weiter. Fahrlehrer haben hier teilweise ihre eigenen Reihenfolgen oder Schemata; doch in dieser zweiten Phase erlernt ein Fahrschüler den Straßenverkehr. Er lernt wie das System “Straße” funktioniert und was wichtig, unwichtig oder lediglich wünschenswert ist. Teilweise auch was als belanglos eingestuft werden kann. Er wird flexibel in der Beurteilung vom Verkehrsgeschehen und lernt Situationen und deren manchmal feinen Unterschiede einzuschätzen. Auch die Sonderfahrten auf der Landstraße, der Autobahn und bei Dunkelheit gehören dazu. Wenn man vom Fahrschüler sagen kann: "der kann jetzt Autofahren!", ist diese Phase abgeschlossen. 3. Phase Die 3. Phase ist die Prüfungsvorbereitung. Der Fahrschüler kann jetzt das Auto bedienen und kommt mit dem Straßengeschehen gut zurecht, doch leider heißt das nicht zwangsläufig, dass er auch unter Druck das Können demonstrieren kann. Im Laufe meiner nunmehr 20jährigen Berufserfahrung musste ich leider eine für mich sehr, sehr harte Lektion lernen: es reicht nicht jemandem das Autofahren allein beizubringen! Sie können mir glauben, das war ein harte Wahrheit für die ich lange gebraucht habe, sie zu erkennen. Wenn ich einen Fahrschüler am Ende der 2. Phase der Fahrausbildung hatte, bin ich anfänglich normalerweise in die Prüfung gegangen, bis ich eines Tages feststellen musste, dass es Fahrschüler gab, die TOP Autofahren konnten, die mir aber trotzdem durchgefallen sind. Wie konnte das sein? Sie konnten Autofahren! Und hatten es dennoch nicht geschafft. Um diese Geschichte abzukürzen; dem Fahrschüler muss man nicht nur beibringen wie er ein Auto sicher und gewandt im Straßenverkehr bedient, nein - man muss ihm auch beibringen durch eine Prüfung zu kommen! Eine Prüfung ist eine Drucksituation und Fahrschüler kommen unterschiedlich gut mit dieser Art Druck zurecht. Es hat auch etwas mit der Bereitschaft Leistung zu demonstrieren zu tun. Die einen blühen auf und laufen in der Notwendigkeit ihr Können zeigen zu müssen zu Höchstform auf und andere Versagen beim geringsten Aufbau von Druck. Natürlich gibt es unzählige Zwischenstufen. Ein guter Fahrlehrer ist sich dieser Tatsache bewußt und führt seinen Fahrschüler da hin. Kann er wirklich 45 Minuten prüfungsreif allein Autofahren - ohne Hilfe? Fragen Sie mal einen Fahrschüler, der durch die praktische Prüfung durchgefallen ist, wie oft sein Fahrlehrer in der letzten Fahrstunde vor der Prüfung noch Sachen vorgesagt oder geholfen hat. Kann er es allein, ohne Hilfe, unter Beobachtung? Das ist die zu beantwortende Frage. Die Verantwortung dies zu erreichen obliegt beiden, dem Fahrschüler und auch dem Fahrlehrer. Der Fahrlehrer muss den Fahrschüler darauf vorbereiten, was es bedeutet im richtigen Moment Leistung zu zeigen und der Fahrschüler muss diese Herausforderung auch annehmen. Spätestens in dieser Phase verschmelzen Fahrschüler und Fahrlehrer zu einem Team! Wenn das so passiert ... - ein ungeheuer schöner Moment, für den es sich lohnt, Fahrlehrer zu werden. Schlusswort Diese Phasen dauern selbstverständlich alle unterschiedlich lang. Der eine Fahrschüler braucht sehr lange in der ersten Phase, dafür gehen die anderen beiden ganz schnell, ein anderer braucht nur in der dritten Phase etwas länger. Bei manchen gehen alle drei Phasen schnell und beim nächsten dauern alle drei lange. Und natürlich gibt es auch Fahrschüler, die nicht wirklich mit dem Fahrlehrer zusammenarbeiten, aus den unterschiedlichsten Gründen. Diese davon zu überzeugen, dass es gut ist zu einem Team zu werden, in dem jeder seinen Teil zum Gelingen des Projektes "Führerschein" beiträgt, ist manchmal eine echte Herausforderung, die sich aber immer lohnt. Diese Phasen verschmelzen auch manchmal miteinander. Man ist mitten in der 2. Phase und muss wieder zur ersten zurück oder man macht Teile der 2. Phase in der ersten, weil dies bestimmte Bedienungselemente vertieft. Der pädagogischen Freiheit sind hier keine Grenzen gesetzt. Zum Glück sind die Menschen unterschiedlich! Und man kann individuell auf die Fahrschüler eingehen ohne dieses Schema zu verletzen. Dies ist eine grobe Einteilung. Ein Gerüst in der praktischen Ausbildung. Gute Fahrlehrer haben weitaus feiner eingestufte Ausbildungsmethoden, die didaktisch fundiert sind und grundsätzlich auf diesen 3 Phasen aufbauen. Jede gute Fahrschule hat diese griffbereit und kann sie dem Fahrschüler zur Verfügung stellen. Je besser ein Fahrschüler weiß, was von ihm verlangt wird, desto besser kann er natürlich mitarbeiten - was seine Ausbildung verkürzen und seinen Führerschein kostengünstiger machen wird.